Der Minenteufel von Bolivien (Sucre – Potosi)

Die letzten beiden Städte, die wir besuchten, konnten kaum unterschiedlicher sein. Sucre, die weisse Kolonialstadt, und Potosi, die höchstgelegene Grossstadt der Welt. Aber beide Städte haben ihren ganz besonderen Charme und zeigten sich uns von ihrer besten Seite.

Sucre ist die Hauptstadt Boliviens, wussten wir vorher auch noch nicht, jeder denkt es wäre La Paz, aber das ist nur der Regierungssitz. Die wohl schönste Stadt Boliviens liegt auf knapp 2800 m und hat 400.000 Einwohner. Die meisten Gebäude, zumindest in der Altstadt um die Plaza, haben einen weissen Anstrich was der Stadt etwas besonderes verleiht.

Unsere Unterkunft in Sucre, das Kulturcafe Berlin, war nur 5 min von der Plaza entfernt. Alles in allem ein nettes Hostel in dem am Freitagabend auch noch Oktoberfest gefeiert wurde. Tja das gibts wohl überall auf der Welt.

In den beiden Tagen (Mittwoch und Donnerstag), die wir in Sucre verbrachten besuchten wir einige Kirchen, das Textilmuseum, den Park Bolivar sowie zwei grosse Märkte. Das Wetter war auch gnädig mit uns, wir hatten Vormittags immer strahlend blauen Himmel, nur Nachmittags wurde es gewittrig. Das hatte aber eine ganz besondere Atmosphäre, als wir auf das Dach der Kirche San Felipe Neri stiegen. Der Himmel war dunkel, schon fast schwarz und die Sonne strahlte auf die weissen Gebäude, das sah echt irre aus und wir schossen mal wieder Unmengen an Fotos :-).

Zuvor besuchten wir das Textilmuseum Asur, was verschiedene Webarbeiten einiger Dörfer zeigte.

Dabei wurden die unterschiedlichen Muster und deren Bedeutungen aus der Ober- und Unterwelt erklärt. Die Arbeiten waren zum Teil knapp 2000 Jahre alt und sehr beeindruckend.

Nicht weniger spannend war am nächsten Tag der Besuch der beiden Märkte, Mercado Central und Mercado Campesino, der sich mehr oder weniger über ein gesamtes Viertel Sucres verteilt. Hier wurden Möbel, Textilien und vieles mehr angeboten, sogar Opfertische und Lamaembryos, die in Häuser verbaut werden um Glück zu bringen. Echt kurios und fremd das Ganze.

Abends haben wir den Tipp von Kate befolgt und sind im Joyride gelandet. Eine echt coole Bar im Zentrum Sucres. Hier gabs zur Happy Hour alle möglichen Cocktails für gerade mal 14 Bolivianos was nur 1,4 Euros sind. Das Essen ist dort übrigens auch sehr gut.

Am Freitag kurz vor unserer Abfahrt nach Potosi hörten wir laute Musik von der Strasse, es war ein Umzug der besonderen Art. Eine Musikkapelle gefolgt von einem Autokorso, die mit lauter Plüschtieren bedeckt waren. Das sah echt mal verrückt aus. Aber wir hörten auch, dass die Bolivianer sehr gerne Fiestas und Umzüge feiern.

Am Nachmittag ging es dann weiter nach Potosi, hierfür benötigt man mit dem Bus knapp 3 Stunden. Die Fahrt auf 4060 m, zur höchstgelegenen Grosstadt der Welt, führte durch mehrere Täler hinauf aufs Altiplano. In Sucre hatten wir von Flaco, einem Freund von Alex, einige Tipps für unsere weitere Bolivienreise erhalten, also sind wir im Hostal Las Tres Portales in Potosi untergekommen und haben das schönste Zimmer bekommen.

Potosi hat heute ca. 200.000 Einwohner und war vor einigen hundert Jahren die reichste Stadt der Welt. Der Segen und Fluch Potosis liegt im kegelförmigen Cerro Rico, dem „reichen Berg“. Hier wurden von den Spaniern ab 1545 bis ins 18. Jahrhundert riesige Mengen an Silber abgebaut und nach Spanien verschifft. Dafür mussten wohl mehrere Millionen Menschen, Bolivianer und andere Sklaven ihr Leben in den Minen lassen. Zu dieser Zeit war Potosi eine der grössten Städte der Welt, nachdem das Silber zum grössten Teil abgebaut war, versank die Stadt ins bedeutungslose bis der grosse Zinnboom ausbrach und Potosi wieder wuchs. Heute arbeiten noch immer mehr als 10.000 Minenarbeiter im Cerro Rico und holen die Mineralien von Hand aus dem Berg. Viele davon sind Kinder, die oft in den Minen anfangen müssen, wenn die Väter zu krank sind. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Männer in Potosi ist gerade mal 38 Jahre…

Am Sonntag Nachmittag besuchten wir die Minen mit einer Tour. Dabei konnte man ein wenig erahnen, was die Arbeiter hier täglich erleben: 12 Stunden Arbeit, nur mir Frühstück und Abendessen, in der Mine wird nur Coca gekaut und Alkohol getrunken. Wir machten die Exkursion mit dem ehemaligen Minenarbeiter Jesus, der uns zuerst zeigte, wie die Mineralien von dem Felsmaterial getrennt wird. Dann sind wir noch kurz auf den Minenmarkt. In einem kleinen Laden sahen wir, was die Minenarbeiter für ihren täglichen Bedarf einkaufen, Dynamitstangen und die zugehörigen Zündschnüre, hier sollte man besser nicht rauchen…

Spannend wurde es dann als wir in den Minenstollen auf 4300 m Höhe gingen. Wir hatten zuvor eine Ausrüstung bestehend aus Helm mit Lampe, Gummistiefel, Jacke und Hose erhalten. Da es Sonntag war, waren keine Arbeiter in der Mine, sie arbeiten immer Montags bis Freitags in 12 Stunden Schichten. Die Mine wird von unterschiedlichen Kooperativen abgebaut, so tragen manche Minenarbeitern den Schutt in Säcken auf dem Rücken heraus, andere können Loren benutzen. Einige der Tunnel reichen bis in die Kolonialzeit zurück, die meisten sind neu.

Wir liefen ca. 2 Kilometer in unterschiedlichen Tunnel, oft musste man den Kopf einziehen da es sehr niedrig wurde. Zum Glück trugen wir Helme, oft genug hörten wir es scheppern! Wir konnten einige Adern von Mineralien wie Silber, Zink, Schwefel oder auch Asbest sehen. Das ganze war in dieser Höhe echt anstrengend.

Kurz vor Ende unserer Exkursion kamen wir zum Tio, dem Minenteufel des Cerro Rico. In einer kleinen Felsnische haben die Minenarbeiter eine Figur des Tio aufgebaut, dem sie mit Cocablättern und 96% Alkohol um Schutz und gute Mineralienernte anbeten. Wir machten hier eine kurze Rast, bei der uns Jesus einiges vom Minenleben erzählte und uns den Schnaps anbot. Wir mussten jetzt auch mal daran nippen, es machte aber keinen wirklichen Spass. Ein Stück weiter fanden wir in einer weiteren Nische ein Kreuz vor, was für die Katholiken errichtet wurde. So haben alle Minenarbeiter ihren Schrein in dem Berg. Obwohl es seher interessant war, waren wir ziemlich froh als wir nach ca 2 Stunden endlich Licht am Ende des Tunnels erblickten.

Am Vormittag besuchten wir aber zuvor die Casa Nacional de la Moneda. Hier wurde das Silber von 1540 bis 1950 mit unterschiedlichen Techniken eingeschmolzen und in Münzen verarbeitet. So findet man hier noch heute die originalen Maschinen der Spanier, die von Spanien per Schiff und mit Lamas in einer 14-monatigen Reise nach Potosi transportiert wurden. Die Silbermünzen wurden dann per Seeweg nach Spanien transportiert, wo sie über Jahrhunderte dem spanischen Haushalt zuflossen. Das Museum zeigt wie später mit Hilfe von Dampfmaschinen oder elektrischen Maschinen hier Silbermünzen bis ins Jahr 1951 produziert wurden. Heute werden die Banknoten Boliviens in Frankreich gedruckt und die Münzen in Kanada und Chile hergestellt, ist anscheinend billiger…

Aber Potosi hat auch noch Anderes zu bieten. Man findet hier alleine 36 barocke Kirchen, herrschaftliche Villen und schöne Gassen, die an den Reichtum früherer Tage erinnern. Heute muss vieles geschützt werden, so stehen einige Kirchen kurz vor dem Zerfall, andere wurden von der UNESCO restauriert, da Potosi wie auch Sucre Weltkulturerbe sind. Interessant sind hier vor allem die Mestizobarockkirchen. In vielen Kirchen kann man indigene Symbole wie Sonne, Mond und Sterne und maskenartige Gesichter sehen.

An unserem letzten Abend in Potosi fand wieder ein Umzug statt. Eine Marienfigur wurde durch die Stadt getragen, gefolgt von einer Musikkapelle, die sehr an unsere Fasnachtsmusik erinnerte. Komisch diese Bolivianer. Zum Abschluss genossen wir in einem kleinen französischen Restaurant noch einige Köstlichkeiten.

Wenn man das erste Mal das Altiplano mit einer Höhe von 4000 m erreicht, spürt man gleich die dünne Luft. Alles was man macht ist sehr anstrengend, man kann schlecht schlafen und man benötigt einige Tage um sich zu akklimatisieren. Ein Glueck haben wir bis jetzt keine grösseren Probleme damit gehabt. Was gut hilft sind Cocablätter, die man kaut, und Cocatee, beides fördert die Sauerstoffaufnahme und hält einen wach. Mit Cocablättern hat sich Joana noch nicht angefreundet, besser gesagt hat sie sie noch gar nicht probiert, aber vielleicht kommt das auch noch…

3 thoughts on “Der Minenteufel von Bolivien (Sucre – Potosi)

  1. Hallo Ihr Zwei, also, wenn es dann nichts mehr abzubauen gibt in der Mine, dann können Sie das Konzept weiter ausbauen und das Gruselkapinett weiterführen. Ist bestimmt genau so spannend. Wir gehen halt in Europapark dafür. Habe mich gerade gefragt, ob ich jemals in meinem Leben diesn Ort besuchen werde. Irgendwie zieht es mich da hin.
    Schaun wir mal.
    Liebe Grüße aus der alten Heimat

  2. …deinen Beitrag konntest Du direkt dem Auslandsjournal schicken! Auslandskorrespondent waere doch n job fuer dich oder?

    LG

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